Synthes will 100 Stellen streichen
01.03.2024 Oberdorf, Oberdorf, Wirtschaft, Bezirk WaldenburgVerlagerung an drei Standorte im Ausland
Die «DePuy Synthes» will ihre «Ressourcen neu ausrichten», wie sie gestern mitteilte. Verbunden wäre damit ein Abbau von 100 Stellen in Oberdorf. Es würde eine Verlagerung in die USA, nach England und in die ...
Verlagerung an drei Standorte im Ausland
Die «DePuy Synthes» will ihre «Ressourcen neu ausrichten», wie sie gestern mitteilte. Verbunden wäre damit ein Abbau von 100 Stellen in Oberdorf. Es würde eine Verlagerung in die USA, nach England und in die Niederlande stattfinden. Noch 100 Stellen würden auf jeden Fall in Oberdorf erhalten bleiben.
David Thommen
Es sind keine guten Neuigkeiten fürs Waldenburgertal, das einst für seine Feinmechanik-Firmen weitherum bekannt war. Mehrere Firmen aus der Branche sind in der Vergangenheit eingegangen oder weggezogen, hier vor allem der grosse Dentalimplantate-Hersteller Straumann vor 20 Jahren. Davon, so zumindest der subjektive Eindruck, hat sich das Tal nie ganz erholt.
Jetzt kündigt sich ein weiterer schmerzhafter Arbeitsplatzabbau an: «Nach reiflicher Überlegung» wägen die beiden DePuy-Synthes-Gesellschaften «Synthes Produktions GmbH» und «Synthes GmbH» ab, «die Produktion und bestimmte Geschäftsbereiche» vom Standort Oberdorf an andere bestehende DePuy-Synthes-Standorte in Palm Beach Gardens (USA), Blackpool (UK) und Amersfoort (Niederlande) zu verlegen. Synthes ist ein weltweit führendes Unternehmen für Medizinaltechnik (siehe Kasten). Am Standort Oberdorf, dem historischen Hauptsitz, werden unter anderem sogenannte «Power-Tools» hergestellt – Handwerkzeuge, die in Operationssälen Verwendung finden.
Mit der Verlagerung der Arbeitsplätze sollen die Komplexität reduziert, Kundenbedürfnisse besser antizipiert und so langfristig die Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleiben, sagte gestern Geschäftsführer Michel Racine gegenüber der «Volksstimme». Voraussichtlich werden mit diesem Schritt in Oberdorf 100 Stellen gestrichen. «Voraussichtlich» deshalb, weil nach der gestrigen Information der Belegschaft nun zuerst ein Konsultationsverfahren mit der Arbeitnehmervertretung eingeleitet worden ist. Sollte nach diesem Verfahren immer noch an der Umsetzung des Vorhabens festgehalten werden, wovon in der Regel auszugehen ist, würde der Transfer an die Standorte im Ausland voraussichtlich bis ins 4. Quartal 2026 abgeschlossen sein.
Bei der «Synthes Produktions GmbH» («Power-Tools» und «Biomaterials»-Produktion) wären bis zu 65 Mitarbeitende betroffen, bei der «Synthes GmbH» sollen Geschäftsbereiche wie Service und Reparatur der «Power-Tools» ausserhalb der Schweiz zentralisiert werden. Hier wären bis zu 35 Mitarbeitende betroffen. Beabsichtigt sei hingegen, dass auch in Zukunft zahlreiche Mitarbeitende der Synthes GmbH in Oberdorf in diversen Bereichen tätig bleiben werden.
Schmerzhaft fürs Waldenburgertal
Die Rede ist von 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. «Oberdorf bleibt ein wichtiger Synthes-Standort», sagt Geschäftsführer Racine. Er wisse, dass der Entscheid für das Waldenburgertal schmerzhaft sei – auch für ihn persönlich. Betriebswirtschaftlich sei der Schritt aber nötig. Und er betont: «Unser Entscheid hat nichts mit der Standortqualität des Waldenburgertals zu tun. Der Standort ist nach wie vor gut und wir hatten nie Probleme, genügend Fachkräfte zu rekrutieren.»
Die «Synthes Produktions GmbH» und die «Synthes GmbH» seien sich «der potenziellen Auswirkungen bewusst», welche die beabsichtigten Massnahmen auf ihre Mitarbeitenden haben könnten, heisst es in der Mitteilung der Firma. Nun würden alle Optionen mit grösster Sorgfalt geprüft. Das Unternehmen sei bestrebt, die Mitarbeitenden mit Würde und Respekt zu behandeln. Den betroffenen Mitarbeitenden würden «während des Transferprozesses angemessene Ressourcen und Unterstützung zur Verfügung» gestellt. Geschäftsführer Racine: «Ich bin zuversichtlich, dass alle unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angesichts des allgemeinen Fachkräftemangels gute Chancen haben, einen neuen Arbeitsplatz zu finden.»
REAKTIONEN
ch. Der Oberdörfer Gemeindepräsidenten Piero Grumelli war von der gestrigen Ankündigung des Stellenabbaus nicht sehr überrascht. Aufgrund von Andeutungen habe damit gerechnet werden müssen. Der Abbau sei sehr bedauerlich, sagt er. Er sei besorgt, dass auch Zulieferfirmen im Bereich Feinmechanik aus dem Tal betroffen sein könnten.
Die direkten Auswirkungen auf die Gemeinde seien allerdings nicht annähernd mit jenen zu vergleichen, als die Synthes 2013 ihren Hauptsitz nach Zuchwil verlegte. Damals verlor Oberdorf jährliche Steuereinnahmen von mehr als 4 Millionen Franken. Heute dürften sich die Steuereinnahmen von Synthes noch auf einen Bruchteil dessen belaufen. Da Synthes gewisse Bereiche in der Gemeinde belässt, hoffe er, dass damit auch ein Teil der Steuereinahmen in seinem Dorf verbleiben werden.
Das Waldenburgertal als einstige Feinmechanik-Hochburg muss weiter Federn lassen. Auf die Frage, wie das Tal zu alter Stärke zurückfinden könnte, zuckt Grumelli mit den Schultern und nennt Gründe, weshalb Betriebe die Region meiden könnten: International ausgerichtete Firmen hätten lieber «Basel» als Anschrift als «Oberdorf». Und wenn ein Unternehmen Erfolg habe und ausbauen wolle, fehle es im Tal tendenziell am notwendigen Platz dafür. Komme hinzu: «Wir sind nicht im Fokus der Wirtschaftsförderung. Oberhalb von Liestal geht da nichts.»
Der Baselbieter Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektor Thomi Jourdan bedauert die Entwicklung ausserordentlich, wie er auf Anfrage ausführt, zuallererst natürlich mit Blick auf die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – aber auch im Hinblick, auf den Wirtschaftsstandort Waldenburgertal. Der Abbau von rund 100 Arbeitsplätzen über die kommenden knapp zwei Jahre sei ein herber Verlust für diese Region. «Das macht mich sehr betroffen.» Gleichzeitig könne festgestellt werden, dass Johnson & Johnson auch weiterhin mit 100 Mitarbeitenden in Oberdorf vertreten sein wird.
Seine Direktion stehe in regelmässigem Kontakt mit der Firma Johnson & Johnson und werde diesen in den kommenden Tagen und Wochen mit Fokus auf die Entwicklung in Oberdorf vertiefen. «Wir werden uns auch über den Verlauf der Konsultationsmassnahmen vertieft informieren.» Es werde zu klären sein, ob und wie der Kanton die Firma, den Standort Oberdorf oder alternative Pläne unterstützen könne. Die Unterstützung der Kantonsbehörden gelte auch den betroffenen Mitarbeitenden, auch wenn die Umsetzung der angekündigten Massnahmen einen langen Zeitraum betreffen würden. Das betroffene Personal sei im Bereich von spezialisierten manuellen Arbeitsprozessen tätig, so Jourdan weiter. «Da sich die gesamte Wirtschaftsregion über einen sehr guten Wirtschaftsverlauf auszeichnet, sind wir guter Hoffnung, dass die betroffenen Personen eine neue Beschäftigung finden werden.
Die einstige Feinmechanik-Hochburg lässt weiter Federn. Auf die Frage, was es braucht, um das Waldenburgertal wieder zu stärken, holt der Volkswirtschaftsdirektor weit aus. Der gesamten Wirtschaftsregion gehe es sehr gut. Die wichtigsten Rahmenbedingungen für ansässige und zuziehende Unternehmen seien der Zugang zu spezialisierten Arbeitskräften steuerliche Attraktivität auch die Mitarbeitenden, eine gute Verkehrserschliessung sowie eine gewisse Dichte an Unternehmen der gleichen oder vor- und nachgelagerten Branchen. Dies trifft für die ganze Region und das Baselbiet zu, wie Jourdan festhält. «Wir müssen aber auch feststellen, dass das Waldenburgertal und das Oberbaselbiet in der Wahrnehmung darunter leiden, dass die Distanzen zu den grossen Zentren relativ gross sind.» Es brauche daher Bestrebungen direkt vor Ort, damit sich neue Unternehmungen gründen können, ausgewiesene Areale und Verkehrsverbindungen. Die verkehrstechnische Erschliessung des Waldenburgertals sei zuletzt wesentlich verbessert worden. «Zudem stehen wir bereit, mit den Instrumenten der Neuen Regionalpolitik, welche die wirtschaftliche Stärkung des ländlichen Raums zum Ziel hat, neue Ideen vor Ort zu unterstützen.» Die lokalen Akteure würden animiert, neue Wege zu gehen und dabei unterstützt. «Und selbstverständlich stellen wir das Waldenburgertal und den ländlichen Raum generell, arealsuchenden Unternehmen vor.»
Synthes
vs. Synthes ist ein US-amerikanisches Medizintechnikunternehmen mit Schweizer Wurzeln und eine Tochtergesellschaft des Grosskonzerns Johnson & Johnson. Dort ist sie Teil der Sparte De-Puy Synthes Companies. Das Unternehmen entwickelt, produziert und vermarktet Instrumente, Implantate und Biomaterialien für die chirurgische Behandlung von Knochenfrakturen und für Korrekturen und Rekonstruktionen des menschlichen Skeletts und seiner Weichteile.
Das Unternehmen geht auf das 1954 von Reinhard Straumann in Waldenburg gegründete Institut Straumann zurück, aus dem die Straumann-Gruppe hervorging. Das Institut Straumann spezialisierte sich auf die Entwicklung von neuen Metalllegierungen, das Testen von Materialeigenschaften und die Erforschung von praktischen Anwendungen. 1974 wurde das Nordamerika-Geschäft von Straumann unter dem Namen Synthes USA verselbstständigt und ab 1977 von Hansjörg Wyss geleitet, der heute als Milliardär und Mäzen bekannt ist.
1990 wurde die Division Osteosynthese durch ein Management-Buy-out von der damaligen Institut Straumann AG unter dem Namen Stratec und mit Sitz in Oberdorf abgespalten. 1999 wurde Stratec mit der ebenfalls aus dem Institut Straumann hervorgegangenen Synthes USA zur Synthes-Stratec, Inc. fusioniert. Ab 2003 folgten diverse Firmenaquisitionen aus dem Medizinaltechnik-Bereich.
2011/12 schliesslich wurde Synthes für 19,7 Milliarden US-Dollar an den USamerikanischen Pharmazie- und Konsumgüterhersteller Johnson & Johnson verkauft und zusammen mit Depuy in die neue Sparte DePuy Synthes überführt. Hauptsitz des Europa-Geschäfts ist seit 2012 das solothurnische Zuchwil.
Quelle: Wikipedia